Ein wunderbarer Theaterausflug – Theater der Welt Festival Tiago Rodrigues: Catarina und von der Schönheit, Faschisten zu töten

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Als kulturbegeisterter Mensch bin ich viel unterwegs, besuche Städtchen, Museen oder Lesungen und Theaterveranstaltungen. Damit habe ich natürlich nicht alles genannt. Gesammelt wird dies alles unter dem Überbegriff „Erzaehlwas on Tour“. Mit dem ersten Post geht es auf die Welt der Bühne. 

In meinem kulturellen Wochenrückblick hatte ich das Festival Theater der Welt schon erwähnt. Es findet nur alle drei Jahre statt und soll einen Blick über den nationalen Theatertellerrand hinauswerfen. Dieses Jahr fand das Festival in Frankfurt und Offenbach statt. Ich habe lange überlegt, ob ich dem Festival einen Besuch abstatten möchte, denn schließlich sollten die Stücke in der jeweiligen Originalsprache aufgeführt werden. Doch ich habe mich mutig entschieden, ein Stück auszuwählen und ich kann ganz klar sagen, diese Entscheidung habe ich nicht bereut.

Ausgewählt habe ich das Stück „Catarina e a beleza de matar fascistas – Catarina und von der Schönheit, Faschisten zu töten“ vom Dramatiker Tiago Rodrigues. Er gilt aktuell als einer der bedeutendsten Theatermacher Europas und nach Betrachten seines Stücks weiß ich warum.

Die Handlung spielt im Sommer auf einem Landhaus. Eine Familie kommt dort zu einem Festessen zusammen, doch der Anlass ist eine brutale Tradition. Eine der Töchter soll an ihrem 26. Geburtstag gemäß der Familientradition ihren ersten Faschisten erschießen. Seit Generationen wird dies getan, um damit an die Widerstandsikone Catarina Eufémia und deren Freundin zu erinnern. Letztere ist eine Vorfahrin dieser Familie. Doch die junge Frau zweifelt daran, dass dies der richtige Weg ist, um den Faschismus zu bekämpfen. Es entsteht eine Debatte zwischen den Familienmitgliedern, um zu beleuchten, ob man den Faschismus mit Gewalt bekämpfen darf.

Das Stück hat eine unfassbare Wucht und holt mich rasch ab. In Zeiten, in denen die AfD immer mehr Stimmen zu gewinnen scheint, in unseren Nachbarländern ebenfalls faschistische Tendenzen in Regierungen sichtbar werden, stellt sich schließlich immer wieder die Frage, wie man dieser Entwicklung begegnen soll. Rodrigues schafft es alle Facetten über die Frage nach der Gegenreaktion in sein Stück zu verpacken. Man muss sich hinterfragen, ob man der politischen und gesellschaftlichen Gefahr mit Gewalt begegnen möchte. Aus meiner Sicht steht hier, wie in den Gedanken der Hauptfigur, ein klares Nein. Gespielt wird auf einer Bühne, die von einem Holzhaus geprägt ist, dessen Wände entfernt werden können. Auf diese Weise wird die Kulisse durch die Schauspieler:Innen stetig verändert. Davor befindet sich die Festtafel, an der das Opfer sitzt, der an diesem Abend zu tötende Faschist. Den größten Teil des Stücks wird er schweigen und nur Zeuge der Diskussionen um sein Schicksal. Catarina scheint zunächst entschlossen, doch die Tat kann sie schlussendlich nicht begehen. Sie hinterfragt den Sinn der Familientradition, sieht darin auch die Zweifel am Vertrauen in die Gesellschaft. Die älteren Familienmitglieder sind enttäuscht, sehen das Nichthandeln auch als Kritik an der eigenen Tat. Das Ensemble harmoniert wunderbar. Es gibt humorvolle Momente trotz des ernsten Themas und zugleich auch liebevolle Familienszenen. Die debattierten Fragen gehen in die Tiefe, sind jedoch so pointiert, dass sie das Publikum direkt ansprechen und auf diese Weise auch in das Stück hineinziehen. Ich bin tatsächlich gebannter Zuschauer gewesen und störte mich keinesfalls an den zu lesenden Übersetzungen. Mich macht das Gesehene auch wütend, es berührt mein politisches Denken und entlarvt dabei, wie wenig man doch dem rechten Gedankengut selbst entgegensetzt.

Argumentieren wir wirklich genug? Verweigern wir uns Problemen, sofern diese aus der rechten Ecke angesprochen werden? Ist es dann nicht so, dass wir dem rechten Gedankengut das Feld für vermeintliche Lösungen überlassen? Fehlt uns die Kraft für die besseren eigenen Ideen zu kämpfen?

Diese Fragen bleiben nach diesem Theaterabend noch lange in meinem Kopf und lösen in mir eine Wut gegen mich selbst aus, berühren mich somit emotional. Die Inszenierung verstärkt dies durch ihr Ende. Das Stück läuft auf den Moment zu, in welchem der Faschist das Wort zu einer kämpferischen Rede ergreift. Schnell erkennt man die Parolen von rechts und die anhaltende Rede ergreift das Publikum und ruft Reaktionen hervor. Der Saal fragt sich, ob er handeln muss? Muss und kann er diesen Worten weiter zuhören? Ich habe einen solchen Theatermoment in einem Publikum noch nie erlebt und feiere diese wunderbare Inszenierung. Noch nie hat mich ein Stück emotional so berührt und gepackt und mir damit gezeigt, wie wunderbar ein Theatererlebnis ist. Sollte dieses Stück irgendwo in Eurer Nähe gespielt werden, egal ob im Original oder in einer deutschen Übersetzung, schaut es Euch an. Es ist wirklich ein grandioser Theaterabend.

Wertung: 🐧🐧🐧🐧🐧

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