Rietzschel, Lukas: Mit der Faust in die Welt schlagen – Rezension

Lukas Rietzschel präsentiert in seinem Debüt „Mit der Faust in die Welt schlagen“ die Perspektivlosigkeit einer ostdeutschen Provinz. Ein Brüderpaar muss dies erleben und stellt dabei fest, dass es ertragbarer erscheint, wenn man sich einer Gruppe zugehörig fühlen kann. Mit kühler Distanz schildert der Roman, wie durch diese Situation für einen der beiden Brüder eine rechte Gruppierung immer interessanter wird.

Artikelserie „Erregungswelle“

Zorn, Wut, teils auch Beleidigungen sind heutzutage zu beobachtende Auswirkungen in gesellschaftlichen Debatten. Getrieben von Ungerechtigkeit oder Zurückweisungen eröffnet sich eine Empörungsspirale, welche die Debatte zu Problemen jedoch eher behindert, statt diese zu fördern. Zudem greifen rechts-gerichtete politische Parteien diese Grundstimmung gerne auf und beginnen Fakten gegen Meinungsmache auszuspielen. Die gefühlte gesellschaftliche „Erregungswelle“ spielt auch in Büchern eine wichtige Rolle. Einen spannenden Beitrag zu diesem Thema leistet Lukas Rietzschels Roman „Mit der Faust in die Welt schlagen“, denn in diesem Roman wird Gründen von Erregung nachgegangen. Mit Erscheinen wurde das Buch mit den Ausschreitungen in Chemnitz verbunden, da der Roman die Situation männlicher Jugend in Ostdeutschland betrachtet. Rietzschels Roman zeigt, dass eine schwelende Stimmung schon viel länger zu greifen war und genau deshalb passt der Roman in diese Artikelserie.

Um was geht es?

Das Brüderpaar Philipp und Tobias wächst in einem Dorf im Osten Sachsens auf. Die Eltern bemühen sich die eigene Familie in bessere wirtschaftliche Situationen zu führen, aber dies dauert an. Für die beiden Jungen scheint eine Perspektivlosigkeit am Himmel herauf zu ziehen. Im Eindruck das sich zu wenig bewegt, beginnt sich noch die Angst vor dem Verlust von Heimat zu verfestigen. Gespräche am heimischen Küchentisch zeigen aufkommende Wut gegen Migranten. Einer der beiden Brüder beginnt sich zurückzuziehen und beobachtet scheinbar teilnahmslos, was um ihn herum geschieht. Der andere Bruder wird aktiv und findet eine Alternative im Anschluss an eine Gruppe Rechtsradikaler.

Mein Eindruck vom Buch

Die Rezeption des Romans hat diesen als Erklärungsansatz für die Wut in Ostdeutschland bezeichnet. Dies erweckte auch bei mir eine große Erwartungshaltung, die ein Roman dann nur schwer gänzlich erfüllen kann. So ist es auch bei dieser Lektüre gewesen. Dies soll jedoch meinem positiven Urteil zum Werk keinen Abbruch tun. Wichtigster positiver Eindruck ist die Art der Darstellung. Ohne Empörungswellen und Effekthascherei zeigt uns der Roman einen familiären Alltag, der sich im Rahmen begrenzter finanzieller Möglichkeiten bewegt. Daraus entsteht ein eher eintönig anmutendes Familienbild, welchem auch die Eltern gegenüber ihren Kindern keinen Reiz geben können. Als Gerüchte über gewalttätige Aktionen gegen Ausländer aufkommen, diskutiert man in der Familie auch darüber, ob man Leute kennt, die damit in Verbindung stehen. Es findet keine klare Abgrenzung statt. Vielmehr zeigt der Roman, dass die eigene Situation nicht so wahrgenommen wird, dass man sich als privilegiert betrachtet. Migranten werden auf diesem Wege zu einem Problem, bei dem man selbst keine Veranlassung für Hilfe sieht.

Die beiden Jungen wachsen in diesem Umfeld heran und beginnen sich einer Gruppe Jugendlicher anzuschließen, die rechtes Gedankengut pflegt. Der Anschluss erfolgt eher beiläufig, nicht große Überzeugungen treiben sie hinein, sondern vielmehr der Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit und einem etwas aufregenderen Leben. Nur ein Bruder wird dabei zum Aktivposten, der Andere scheint aber auch nichts unternehmen zu können, um diese Entwicklung zu stoppen. Sicherlich kann man darüber streiten, ob diese Schilderungen zu eindimensional sind, jedoch wirkt die gesamte Darstellung auf mich realitätsnah und vorstellbar.

Die Perspektivlosigkeit einiger Gegenden Ostdeutschlands wird sofort greifbar und ist aus medialen Darstellungen bekannt. Die sprachliche Nüchternheit ist dem Thema absolut angemessen und sorgt dafür, dass man sich schnell in die Handlungen hineindenken kann. Emotionen überlagern das Buch nicht, sondern sind vielmehr Ergebnis des Geschilderten. Genau dies hat mir am Buch bestens gefallen, auch wenn es sicherlich an einigen Stellen Raum für tiefere Dialoge gegeben hätte.

Lukas Rietzschel:

Mit der Faust in die Welt schlagen                                                                                         

Ullstein Verlag

ISBN: 978-3-548-06103-0

Preis: 12,00€

https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/mit-der-faust-in-die-welt-schlagen-9783548061030.html

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