Burns, Anna: Milchmann – Rezension

Anna Burns hat einen hochkomplexen Roman geschrieben. „Milchmann“ zeigt uns eine junge Frau die versucht in einer konfliktgeprägten Gesellschaft ihre Identität zu verteidigen. Gegen Sexismus und Misstrauen setzt der Roman eine Erzählerin, die diesen Herausforderungen mit feinem Humor begegnet.

Im Jahr 2018 erhielt die Nordirin Anna Burns den Man Booker Prize für ihren Roman „Milchmann“. Die Auszeichnung erhält der beste englischsprachige Roman eines Jahres. Die internationale Aufmerksamkeit war dem Roman damit gewiss. Die Übersetzung wurde auch im deutschen Feuilleton mit großer Spannung erwartet. Die ersten Rezensionen waren dann auch voll des Lobes. Danach empfahlen mir Kolleg*Innen das Buch noch und so konnte ich nicht am Regal vorbeigehen ohne das Buch zu kaufen.

Um was geht es?

Eine namenlose junge Ich-Erzählerin berichtet von ihrem Leben in einer namenlosen Stadt, die geprägt ist von einer politisch-religiösen Auseinandersetzung. Die Erzählerin konzentriert sich darauf nicht aufzufallen, denn dies sichert ein sorgenfreies Leben. Ein älterer Mann beginnt jedoch ihr Aufmerksamkeit zu schenken, was ihr Ziel gefährdet. Auch wenn sie versucht, die Begegnungen mit diesem Mann zu vermeiden und gegenüber ihrem Umfeld verheimlicht, brodelt die Gerüchteküche schnell. Der Roman zeigt wie wehrlos man gegenüber einer solchen Entwicklung sein kann und wie sich ein Konflikt in das eigene Leben ungewollt einschleicht. Für eine junge Frau, so zeigt es der Roman, ist es schwierig sich in einem solchen Umfeld zu behaupten.

Mein Eindruck vom Buch

Sprachlich und konzeptionell bietet dieser Roman äußerst ungewöhnliche Erfahrungen und überrascht einen. Damit geht jedoch auch eine gewisse Anstrengung beim Lesen einher. Der Erzählton ist äußerst sachlich und versucht hochemotionale Darstellungen zu vermeiden. Die Figuren bleiben alle namenlos und werden nach ihren Funktionen, wie zum Beispiel Verwandtschaftsverhältnissen, betitelt. Dieser Aufbau unterstützt die persönliche Zielsetzung der Hauptfigur, denn so fällt man nicht auf. Gleichzeitig signalisiert dieser Aufbau, dass dies keine besondere Geschichte ist, sondern jedem passieren kann. Aus der Reihe fällt die Namensgebung des älteren Mannes, welcher die Bezeichnung „Milchmann“ bekommt, obwohl er diesen Beruf gar nicht ausübt. Er wird somit auch strukturell zum Störenfried.

Die junge Frau muss sich den vorgefertigten Rollenbildern einer Mutter erwehren, die sich eine schnelle Familiengründung wünscht. Dies überrascht, da dies schon bei den Lebensläufen der älteren Schwestern nicht das gewünschte ruhige Leben gebracht hat.

Ohne Zeit und Ort zu kennen, deutet der politisch-religiöse Hintergrundkonflikt und die Herkunft der Autorin schnell auf ein Nordirland der 70er Jahre hin. Burns gelingt es aufzuzeigen, wie ein solcher Konflikt das Alltagsleben der Menschen beeinflusst. Gesellschaften werden von Misstrauen geprägt, erwarten vor allem, dass man unscheinbar bleibt. Jeder Konflikt kann nicht ohne den Hintergrund betrachtet werden und so ist es auch bei den Herausforderungen im Leben einer jungen Frau. Ich finde dies aufzuzeigen gelingt dem Roman richtig gut. Trotzdem ist die Konstruktion des Romans dann auch gleichzeitig seine Schwäche, denn man muss sehr konzentriert bleiben und sich auf diese Konstruktion einlassen, was dem Roman vielleicht ein verdientes breites Publikum raubt. Dabei hätte auch der humorvolle Erzählton eine größere Leserschaft verdient.

Anne Burns:

Milchmann

Tropen Verlag

ISBN: 978-3-608-50468-2

Preis: 25,00€

https://www.klett-cotta.de/buch/Gegenwartsliteratur/Milchmann/112109

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