Steenfatt, Janna: Die Überflüssigkeit der Dinge – Rezension

Man sagt, ein Leben führen, als hätte man die Wahl, sagte ich. Es, beispielsweise, zu beenden, wann es einem passt. Falk legte den Kopf in den Nacken und sah an der Häuserfassade hinauf. Ich zog das Etikett von der Flasche, das sich durch die Feuchtigkeit leicht ablösen und einen klebrigen Film auf dem braunen Glas hinterließ, und klebte es Falk auf den Ärmel. Ein Herz und ein Anker. Er entfernte es mit spitzen Fingern. Etwas war schief.

Steenfatt, Janna: Die Überflüssigkeit der Dinge, S.76 Hoffmann und Campe 2020.

In diesem Zitat wird schnell deutlich, um was es in diesem Roman geht. Die Protagonistin Ina muss aber auch wegen diesen Einstellungen zu ihrem eigenen Leben scheitern. Es ist die Unvorhersehbarkeit des eigenen Lebens, die sie belastet und gleichzeitig die Erwartungshaltung des Umfeldes, die einen für sie zu großen Druck aufbaut. Gerne hätte ich ihr beim Lesen Mut zugerufen und die Postkarten aus dem Bild zugeschickt. Janna Steenfatt schickt ihre Protagonistin auf die Suche nach Halt im eigenen Leben und doch wird ihr immer wieder der Boden unter den Füßen entzogen, durch Ereignisse oder auch die eigene Einstellung. Der Roman verbindet Witz und Tragik konnte mich aber wegen der aus meiner Sicht stockenden Entwicklung der Hauptfigur nicht überzeugen.

Um was geht es?

Ina muss den Tod ihrer Mutter verarbeiten und setzt es sich zum Ziel ihren leiblichen Vater aufzuspüren. Gleichzeitig wartet sie darauf, dass sie das Leben schlussendlich ergreift und sie in eine passende Lebenswirklichkeit führt. Wir folgen ihr auf dieser Suche und erleben mit ihr Liebesglück, sowie Enttäuschungen und den Kampf um die passende Lebensrolle.

Mein Eindruck vom Buch

Dieses Buch ist Teil meiner Liste #12für2021, einfach weil es mich immer wieder aus meinem Regal angelacht hat. Junge Autorinnen und Autoren erwecken grundsätzlich mein Interesse und Coming-of-Age Romane lese ich immer noch gerne. Warum ? Die Mutmaßungen überlasse ich euch.

Leider konnte mich der Roman aber nicht richtig überzeugen und dies liegt vor allem an der Hauptfigur. Ina ist aus meiner Sicht komplett desillusioniert und scheint an keiner Stelle so richtig Hoffnung zu verspüren. Jegliche Veränderung in ihrem Leben scheint nur ganz kurz Antrieb zu sein, bis die Figur auch wieder in Sachen Gefühle erkaltet. Mir erscheint dieses Verhaften im Ungefähren nicht als schlüssige Persönlichkeitsdarstellung. Ina lehnt Rollen, welche ihr die Gesellschaft zuweisen will ab, sucht aber aus meiner Sicht auch nicht wo sie sich wirklich verorten will. Die Erkenntnis die meiste Zeit des Lebens mit Warten verbringen zu müssen, führt bei mir zu keinerlei Reaktion. Stattdessen verharrt auch der Plot aus diesem Grund im Ungefähren.

Und das alles nur aus einem einzigen Grund, weil man es so machte. Weil ihre Eltern es auch schon so gemacht hatten. Es kam automatisch. Es war alles da, nichts würde jemals selbst entschieden werden müssen. In mir breitete sich ein Gefühl des Davongekommenseins aus, das sich mit Neid mischte, nicht auf das Leben das sie führten, sondern auf die Fähigkeit, mit dem, was man haben konnte, zufrieden zu sein. Und, vor allem, immer genau zu wissen, was das war.

Steenfatt, Janna: Die Überflüssigkeit der Dinge, S.74 Hoffmann und Campe 2020.

Dieses Zitat zeigt die innere Grundspannung, welche die Hauptfigur prägt. Und das dies so deutlich wird, liegt daran, dass die Autorin dies sprachlich gut ausarbeitet. Die Gedanken der Hauptfigur sind sofort plastisch greifbar. Man versteht ihre Situation, weshalb auch ich diesen Drang des Helfens verspürte. Da Ina aber immer wieder Chancen ausschlägt, wird man auch als Leser ernüchtert. Der Roman entgeht auf diesem Wege natürlich auch dem klassischen Muster, dass die Figur sich in einem Coming-of-Age Roman auch findet. Die Botschaft des Textes ist für mich deshalb, auch das Ungefähre des Lebens zu akzeptieren. Mich hat genau dies aber nicht überzeugt. Wer jedoch einen Titel sucht, der die Vorstellungen von Lebenskontrolle infrage stellt und Reflektionen darüber anbietet, ist hier an der richtigen Adresse. Abgesehen von meinen Bedenken ist es ein gut gemachtes Werk und kann in seiner sprachlichen Gestaltung unterhalten.

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Janna Steenfatt:

Die Überflüssigkeit der Dinge

Hoffmann und Campe

ISBN: 9783455009002

Preis: 12,90€

Die Überflüssigkeit der Dinge – HoCa-Buchshop (hoffmann-und-campe.de)

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