Seethaler, Robert: Der letzte Satz – Rezension

„Ich sollte noch ein bisschen bleiben“, sagte er laut. Doch da hörte er seine eigene Stimme schon nicht mehr.

Seethaler, Robert: Der letzte Satz, S. 118 Hanser 2020.

Nein, dies ist nicht der letzte Satz dieses Romans, wohl aber der letzte der Romanfigur Gustav Mahler. Bekannt geworden durch „Der Trafikant“ greift der österreichische Romancier Robert Seethaler auch diesmal wieder auf eine historische Figur zurück. Spielte in seinem bekannten Werk Siegmund Freud eine Rolle, ist es dieses Mal der Komponist Gustav Mahler. Dieser befindet sich auf der Rückreise von New York nach Wien, scheint das Ende seines Lebens zu spüren und denkt über das bisher Erlebte in Episoden nach. Ein schmaler Roman, der Schlaglichter auf ein Komponistenleben wirft, mir aber zu wenig Einblick in dieses Leben gibt, um mich zu überzeugen.

Um was geht es?

Gustav Mahler erinnert sich während einer Schiffsreise seines Lebens, beleuchtet den beruflichen Werdegang und denkt vor allem über seine Liebesbeziehung zu Alma Mahler nach.

Mein Eindruck vom Buch

Robert Seethaler ist eine meiner Leseentdeckungen der letzten Jahre. Obwohl ich eigentlich kein Fan der leisen sprachlichen Töne bin, konnte mich Seethaler mit „Der Trafikant“ wirklich begeistern und an den ein oder anderen Lieblingsklassiker erinnern. In seinem neuen Roman begleiten wir einen der größten Komponisten aller Zeiten. Aufgrund der Ankündigung hatte ich mich auf ein ähnlich gutes Leseerlebnis wie bei Julian Barnes und seinem Roman „Der Lärm der Zeit“ gefreut, doch diese Erwartungshaltung wurde enttäuscht. Aus meiner Sicht werden die Probleme in den Erinnerungen zu wenig ausgebreitet, an manchen Stellen plätschert der Text nur vor sich hin. Auch das an einigen Stellen zitierte Bild des leidenden Künstlers bleibt blass. Seethaler konzentriert sich auf Anekdoten und die Ehe mit Alma Mahler, die aber als Person nur aus der Sicht ihres Partners aufscheint. Mir fehlen zentrale biografische Punkte und vor allem vermisse ich das Komponistenleben und der Blick auf das musikalische Werk. Auf diese Weise verschenkt das Buch Potenzial, um mich stärker mit der Figur Mahler zu verbinden.

Man kann dieser Art des Erzählens natürlich die Stärke zusprechen, dass sich bewusst zentralen Lebenssituationen verweigert wird, um eben nicht in klassische psychologische Muster zu verfallen. Aber auch dies geht für mich nicht auf. Natürlich finden sich schön zu lesende Passagen, denn Seethaler beherrscht sein schriftstellerisches Handwerk. Jedoch geben diese in der Masse kein mich reizendes Gesamtbild.

Der Fokus des Textes ist die Hauptfigur, deren Emotionen bewusst mit sprachlicher Nüchternheit auftreten. Mahler hadert damit sich nie auf eine Position beziehen zu können, in der er mit sich im Reinen ist. Exemplarisch drängt sich für mich in diesem Zusammenhang das eingangs erwähnte Zitat auf. Es drückt den klaren Wunsch aus, dass er noch etwas Zeit für sich haben möchte. Der letzte Satz, soll eben genau nicht der ausgesprochene sein. Dies verwebt sich mit dem Titel des Romans, der natürlich auch den Aspekt thematisiert, dass der Komponist über sein Werk lebendig bleibt. Schlussendlich können seine Stücke immer wieder gespielt werden, es gibt somit keinen letzten Satz.

Dieser Roman ist nicht Seethalers bestes Werk, sprachlich fein und kunstvoll schlicht ausgearbeitet, scheitert er daran bei mir ein Interesse an seiner Hauptfigur und damit auch den Lebenserinnerungen zu wecken.

Unbezahlte Werbung aus Liebe zum Buch

Robert Seethaler:

Der letzte Satz

Hanser Verlag

ISBN: 978-3-446-26875-3

Preis: 19,00€

Der letzte Satz – Bücher – Hanser Literaturverlage (hanser-literaturverlage.de)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert