Kurbjuweit, Dirk: Haarmann – Rezension

Dirk Kurbjuweit präsentiert einen Krimi, der die 20er Jahre realitätsnah präsentiert. Mit der Darstellung von Ermittlerfigur und Serienmöder schafft er ein wechselseitiges Spannungsverhältnis, welches den Roman über die komplette Distanz trägt. Die Kaltblütigkeit dieser historisch realen Mordserie setzt den zweiten Effekt und schockiert einen als Leser*In noch heute.

Erneut widme ich mich im Rahmen des Blogs einem historischen Kriminalroman. Dirk Kurbjuweit ist mir als Spiegel-Journalist und Autor schon mehrfach begegnet. Die Ankündigung zum Roman „Haarmann“ sorgte somit schnell für Interesse. Zudem wird ein realer Fall aufgegriffen, weshalb es auch für True Crime Fans ein Highlight ist. Schließlich handelt es sich beim Serienmörder Fritz Haarmann um einen der größten Kriminalfälle der 20er Jahre und dies wurde nicht zum ersten Mal künstlerisch aufgegriffen. Ich selbst habe jedoch durch diesen Roman zum ersten Mal davon gehört.

Um was geht es?

1923 beginnt Kriminalkommissar Robert Lahnstein seine Ermittlungen in einer Reihe von Vermisstenfällen. Mit großem Eifer macht er sich an die Arbeit und bei seinen Recherchen wird ein Einblick in die Welt der 20er Jahre in Hannover gegeben. Die Vermissten sind alles Jungen, weshalb eine Ermittlung im Homosexuellenmilieu als naheliegend gilt, doch gerade dies scheint für die Polizei ein Grund der Gleichgültigkeit zu sein. Lahnstein versucht in der politischen Gemengelage seine Ermittlungen fortzusetzen, auch wenn er immer wieder in die Debatten zwischen rechts und links gerät. Seine Ausdauer macht sich allerdings bezahlt und es scheinen erste Lösungshinweise zum Tragen zu kommen. Trotzdem verschwinden weitere Jungen und ein Spiel gegen die Zeit beginnt …

Mein Eindruck vom Buch

„Haarmann“ ist kein klassischer „Who done it – Krimi“, sondern eine fiktionalisierte Geschichte über einen der spektakulärsten Kriminalfälle der Deutschen Geschichte. Dieser True Crime Hintergrund wird im gesamten drastischen Ausmaß präsentiert. Dirk Kurbjuweit hat die historischen Fakten gut recherchiert und bindet diese gekonnt in die Handlung ein. Doch Stärke des Buches ist für mich ganz klar die Figur des Ermittlers, Robert Lahnstein. Dieser befindet sich während der Tätersuche immer wieder im persönlichen Zwiespalt, über politische Haltungen und die Weiterführung des eigenen Lebens. Wie soll und kann man sich positionieren und trotzdem der Gerechtigkeit Rechnung tragen? Wie kann man sein eigenes Leben in diesen turbulenten Zeiten wieder in geordnete Bahnen führen? Dieses Hadern macht ihn als Figur interessant und hat bei mir Sympathien geweckt. Sehr schnell fieberte ich mit der Figur und wünschte ihm die Aufklärung des Falles. Dieser Figur wird der Täter Fritz Haarmann entgegen gestellt. Die Verhöre zu lesen ist ein Genuss, denn die Kalt- und Gleichgültigkeit des Serienmörders lässt die Wut spüren, die auch im Kommissar auftaucht. Dies schockiert zusammen mit der Gleichgültigkeit bei Ermittlungen im Homosexuellenmilieu, welche bei der Polizei dominiert. Noch Jahre später scheint einem dies unvorstellbar.

Diese Darstellung fügt sich in eine Beschreibung der 20er Jahre, die existierende Notlagen und politische Verwicklungen nicht verschweigt und die Zeit damit auch nicht verklärt. Die Figurenkonstellation und die Darstellung deren Perspektive trägt den Roman über die komplette Distanz und macht den Krimi für mich lesenswert, auch ohne großen Actionknall.

Coverabbildung dank freundlicher Genehmigung des Verlags

Dirk Kurbjuweit:

Haarmann

Penguin

ISBN: 978-3328600848

Preis: 22,00€

https://www.randomhouse.de/Buch/Haarmann/Dirk-Kurbjuweit/Penguin/e547613.rhd

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