Nassehi, Armin: Muster – Rezension

Die Digitalisierung und ihre Herausforderungen ist ein vieldiskutiertes Thema in diesen Tagen. In Zeiten in denen wir direkte Kontakte vermeiden sollen, kommt es gezielt auf digitale Kommunikationsmittel an. Doch nicht nur deshalb finde ich dieses Thema interessant. Unabhängig der aktuellen Lage ist der technische Fortschritt stetiger Begleiter unseres Alltages und stellt uns tagtäglich vor neue Herausforderungen. Diese Bedeutung des Themas ist auch dem Buchmarkt anzumerken, wo viele Bücher sich auch diesen Themen widmen. Aufgrund dieser Beobachtung freue ich mich in den kommenden Tagen einige dieser Titel vorzustellen. Herzlich Willkommen zu meinen Thementagen Digitalisierung!

Es gehört zu den Grunderfahrungen der sozialen Evolution, dass Diskurse über gegenwärtige Veränderungen oft ein erstaunlich einfaches Bild der Vergangenheit imaginieren, um die Veränderung klarer auf den Begriff bringen zu können. Deutlicher formuliert: Oft wird der Verlust von etwas beklagt oder etwas zu retten versucht, das es so nie gab.

Nassehi, Armin: Muster, S.305 C.H. Beck Verlag 2019.

Dieses Zitat zeigt ein Grundmotiv in der Beschäftigung des Soziologen Armin Nassehi mit dem Thema Digitalisierung. Er verdeutlicht, dass die Grundlagen der Digitalisierung in unserem Streben nach Übersichtlichkeit in der Welt angelegt sind. Wir möchten Muster erkennen und nutzen, und genau dieser Antrieb hat die Digitalisierung als technisches Hilfsmittel hervorgebracht. Für Nassehi ist sie aus diesem Grund auch keine große externe Bedrohung, sondern er möchte erläutern, wie digitale Prozesse in unserer Gesellschaft wurzeln. Dabei werden alle möglichen Risiken jedoch nicht negiert. Verständlich für jedermann werden die Thesen präsentiert und aufgezeigt, dass digitale Prozesse akzeptiert werden, weil sie funktionieren und effizient sind. Für alle die eine gute Einsteigerlektüre zum Thema suchen, darf dieses Buch empfohlen werden.

Um was geht es?

Armin Nassehi präsentiert die Digitalisierung als einen Prozess, der schon im 19. Jahrhundert gezielt seinen Anfang nimmt, da strukturiert mit der Erfassung von statistischen Mustern begonnen wird. Der digitale Prozesscharakter verschiebt diese Erfassung in den technischen Bereich. Zunächst werden die Eigenheiten der digitalen Prozesse erläutert und warum mit ihnen die Mustererfassung in der globalen Welt gut gelingen kann. Das Voranschreiten der Digitalisierung wird von der Akzeptanz der funktionierenden Technik beeinflusst. Abschließend wird beleuchtet, wie sich auch die Gesellschaft durch digitale Prozesse verändert und welche Risiken bestehen.

Mein Eindruck vom Buch

Der Soziologe Armin Nassehi beeindruckt mich mit seinen Vorträgen und Interviews schon länger, prägnant und klar macht er seine Thesen deutlich. Vielleicht liegt meine Wertschätzung auch daran, dass er systemtheoretisch argumentiert und ich diese Theorie seit meiner Studienzeit schätze. Nachdem ich mich entschieden habe, mich dem Thema Digitalisierung zu widmen, stand außer Frage, dass ich mit Armin Nassehi beginnen werde.

Zunächst ist die Herangehensweise des Buches erfrischend, da sich Nassehi nicht in die Untergangsrhetorik vieler anderer Wissenschaftler einreiht. Er will eine soziologische Theorie der Digitalisierung schreiben. Für ihn ist die Digitalisierung kein externer Prozess der uns bedroht, sondern er macht deutlich, dass diese Entwicklungen aus unserer Gesellschaft heraus entstehen. Beschleunigt werden die technischen Hilfsmittel durch unsere globalisierte Welt, was auch zur Unübersichtlichkeit führt. Umso größer ist der Drang mit Technik Muster zu erkennen und die Welt zu ordnen. Die Gesellschaft befindet sich somit nicht in der Opferrolle, sondern die digitalen Auswirkungen sind in ihr angelegt. Die Akzeptanz dieser Entwicklungen rührt daher, dass die Technik funktioniert und unser Zusammenleben effizienter gestaltet. Für alle ist somit sicht- und spürbar, dass sich Dinge vereinfachen. Nur dank der technischen Hilfsmittel gelingen uns globale Kommunikation und globale Prozesse, die sich in Mustern abbilden lassen. Nassehi erklärt dies alles schrittweise und findet immer wieder nachvollziehbare und anschauliche Erläuterungsbeispiele.

Doch das Buch negiert die Risiken der Digitalisierung nicht, beleuchtet Aspekte des Datenschutzes und geht auch auf die Falschdarstellungen ein, die sich über soziale Medien verbreiten. Nassehi hält zu letzterem fest, dass es jedoch nie seitens der digitalen Hilfsmittel zu einer Behauptung absoluter Wahrheiten kommt. Diese digitalen Prozesse funktionieren anders, als dies in den klassischen journalistischen Medien erfolgt. Grundsätzlich verstehe ich sein Buch als eine Aufforderung, Lösung für Probleme zu suchen und sich den neuen Entwicklungen nicht zu verschließen. Es muss allen klar sein, dass der Wunsch nach alten Strukturen nicht haltbar ist und diese Entwicklungen auch aus einer früheren Unzufriedenheit herrühren. Auszuhandeln ist, welche Freiheiten man bereit ist für Wohlstand und technischen Fortschritt zu opfern. Diese Fragen sollte man progressiv angehen.

Armin Nassehi ist ein tolles Buch gelungen, um wissenschaftliche Ansätze verständlich zu erklären und spricht Mut zu, sich Herausforderungen zu stellen, statt sich verblendet auf Vergangenheit zu beziehen.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧

Armin Nassehi:

Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft.

C.H. Beck Verlag

ISBN: 978-3-406-74024-4

Preis: 26,00€

Nassehi, Armin | Muster | 1. Auflage | 2019 | beck-shop.de (beck-shop.de)

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