Engel, Thomas: 1965 – Rezension

„1965“ greift die gesellschaftspolitischen Hintergründe der 60er Jahre auf und verknüpft diese mit einem Kriminalfall, der erstaunliche Parallelen zu einem aus den 30er Jahren aufweist. Der junge Hauptkommissar Thomas Engel muss sich dem Fall widmen und gleichzeitig gegen alte Denkmuster vorgehen. Dies sorgt für einen gut gebauten Kriminalroman, der die 60er Jahre treffend darstellt.

Historische Kriminalromane liegen im Trend, natürlich nochmals verstärkt durch die großartige Serie „Babylon Berlin“. Meist spielen diese Romane jedoch zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Ich hatte mich schon lange gefragt, wann denn endlich ein/e Autor*In auf die Idee kommen würde, die spannenden 60er Jahre als zeithistorischen Hintergrund zu wählen. Als ich dann die Ankündigung zu „1965“ von Thomas Christos gelesen habe war klar, dass es dieses Buch auf meine Leseliste schaffen wird.

Um was geht es?

Kriminalkommissar Thomas Engel ist neu bei der Düsseldorfer Kriminalpolizei und wird gemeinsam mit Kollegen an die Ruine Kaiserwerth gerufen. Dort wurde eine Mädchenleiche gefunden und schnell deutet in Engels Ermittlungen vieles auf Parallelen zu einem Fall aus den 30er Jahren hin. Von diesem Punkt an muss der junge Kommissar nicht nur den Täter ermitteln, sondern auch gegen die eigenen Reihen kämpfen, in denen sich immer noch alte NS-Strukturen halten. Mit seinem Willen und den Kombinationsfähigkeiten scheint er sich der Lösung des Falles zu nähern.

Mein Eindruck vom Buch

Dieser Krimi bietet seinen Leser*Innen nicht nur einen Mordfall, sondern vor allem ein zeithistorisches Panorama aus den 60er Jahren. Thomas Christos greift den gesellschaftspolitischen Hintergrund der Nachkriegszeit auf, in dem immer noch keine offene Kommunikation über die NS-Zeit herrscht. Sein Protagonist Thomas Engel hat mit diesen politischen Verwicklungen zunächst nichts zu tun, bis er bemerkt daran nicht vorbei zu können. Zudem ist sein privater Umgang mit einem Mädchen der Türöffner zur aufkommenden Popkultur.

All dies führt nicht nur in seinem Job zu Herausforderungen, auch familiär ist er immer wieder zu Diskussionen mit seinem Vater gezwungen, der früher selbst Polizist war und damit auch die Vorgängergeneration vertritt. Diese Figurenkombination macht die Geschichte interessant. Insgesamt steht nicht der Mordfall im Vordergrund, sondern dieser ist nur die Bühne für das Zeitpanorama und das gelingt. Schnell wird man durch den Roman in diese Zeit versetzt, kann die Diskussionen nachvollziehen und durch Autos und Musik bekommt man auch ein Zeitgefühl. Christos Recherchen sind stimmig.

Mir persönlich hat die Figurenkonstellation in Verbindung zum Krimiplot sehr gut gefallen, da ich mich für diese Zeit auch interessiere. Man ist immer wieder erschrocken über geäußerte politische Aussagen der Figuren und doch weiß man mittlerweile, wie sehr auch die 60er Jahre noch von Entnazifizierungsdebatten geprägt waren.

Der Schreibstil verzichtet auf blumige Beschreibungen und doch entstehen die Bilder dieser Zeit schnell im Kopf der Leser*Innen. Mordfall und Tätersuche werden gut konstruiert zu Ende geführt, ohne dass jedoch eine nervenaufreibende Spannung auftritt. Wegen des gelungenen Gesamtpakets stört dies aber überhaupt nicht, trotzdem rätselt man gerne mit. Ich hoffe auf eine Fortsetzung der Reihe, da ich in der Hauptfigur des jungen Kommissars Engel durchaus Entwicklungspotenzial sehe und sicherlich auch noch nicht alle politischen Hintergründe dieser Zeit erzählt sind.

Thomas Christos:

1965 – Der erste Fall für Thomas Engel

Blanvalet

ISBN: 978-3-7645-0719-0

Preis: 20,00€

https://www.randomhouse.de/Buch/1965-Der-erste-Fall-fuer-Thomas-Engel/Thomas-Christos/Blanvalet/e565393.rhd

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