Bjerg, Bov: Der Vorweiner

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Bov Bjerg ist seit Jahren einer meiner Lieblingsautoren. Sein Roman „Auerhaus“ hat mich damals so wunderbar berührt, dass ich auch die nachfolgenden Bücher des Autors gekauft und ebenfalls gerne gelesen habe. Für mich war deshalb klar, dass ich mir den Autor auf der vergangenen Buchmesse 2023 in Frankfurt im Rahmen des Lesefestes Open Books live ansehen werde. Bjerg stellte an diesem Abend seinen neuen Roman „Der Vorweiner“ vor und ich musste so herzhaft lachen, dass ich mir das Buch im Anschluss sofort gekauft habe. Heute möchte ich Euch deshalb diesen 2023 im Ullstein Verlag erschienenen Roman vorstellen.

„In der Trauer, von der die Sozialgeschichtsschreibung zu berichten wusste, war die Welt arm und leer geworden. Wenn man nicht achtgab, füllte diese Trauer den Körper mit dunklen, zähen Säften, und ehe man sich versah, war nicht nur die Welt, sondern das ganze Ich ganz arm und leer.“

Bjerg, Bov: Der Vorweiner, 2023, Claassen Verlag, S.58.

Der Roman ist eine satirische Dystopie und berichtet von einer Welt, die von Kriegen und Naturkatastrophen erheblich gezeichnet ist. Ein riesiger Betonblock schützt den verbliebenen Teil von Europa (auch als Resteuropa bezeichnet) vor gefährlichen Wassermassen. Die Fluchtbewegungen aufgrund der klimatischen Veränderungen sind ebenfalls eingetreten und das Schutzbedürfnis hat die Gesellschaft verändert. Die Menschen leben in einer bewussten Rundumüberwachung, in der emotionale Kontrollverluste ein öffentliches, aber auch nicht geschätztes Ereignis sind. Die Funktion der titelgebenden „Vorweiner“ besteht darin, dass man sich diese Personen zu Lebzeiten aussucht, sie emotional an sich bindet, sodass wenigstens diese bei der Trauerfeier Tränen für einen verdrücken können. Man kann somit durchaus festhalten, dass wir in eine zutiefst verstörende Welt eintauchen, die aber in einem Erzählton daher gebracht wird, der all das leicht lesbar macht. Dieser Tonfall zeigt sich schon in der Namensgebung der Protagonist:Innen, denn diese heißen A wie Anna und B wie Berta. Berta erzählt uns die Geschehnisse und so erfahren wir, dass es sich bei Anna um ihre Mutter handelt. Doch auch diese verwandtschaftlichen Beziehungen sollen frei von großen Emotionen bleiben. Grundsätzlich setzt Bjerg mit diesem Roman verschiedene gesellschaftskritische Aspekte in eine utopische Welt und gibt ihnen einen satirisch kommentierenden Blickwinkel. Arbeitsmigration ist ein großes Thema und so können sich die wohlbetuchten Bewohner:Innen von Resteuropa billige migrantische Arbeitskräfte leisten, die in dieser Gesellschaft sogar noch die emotionale Arbeit übernehmen. Um sich jedoch eine richtig gute Trauerarbeit leisten zu können, muss eine gute Auswahl erfolgen und hier spart der Text ebenfalls nicht mit der Zurschaustellung von klischeehaftem Ansinnen.

Zudem besteht die Herausforderung der emotional verkümmerten Oberschicht daran, die Vorweiner genügend emotional an sich zu binden, sonst wird es kein gebührender Abschied. Bov Bjerg bietet jedoch unter anderem mit den Journalisten als „Klickbeutern“ noch weitere sonderliche Entwicklungen. Journalisten orientieren sich nicht an einem Aufklärungsethos, sondern sie verschreiben sich den höchsten Klickzahlen.  Der Wunsch nach echten Erlebnissen lässt Anna sogar in das blutige Innere eines Schweins eintauchen. Schon diese wenigen Hinweise machen deutlich, dass dieser Roman seine Figuren als Dekorationselemente betrachtet, um eine farbenfrohe Szenerie verschiedener satirischer Einfälle zu präsentieren. Diese Sequenzen sind wirklich wunderbar zu lesen und ich musste an vielen Stellen lachen. Allerdings hatte ich mir nach dem Buchmesseauftritt wirklich mehr erhofft, denn der Roman kann nicht nur von den guten satirischen Szenen leben. Es fehlt dem Roman eine spannendere Handlungskomposition.

Fazit

Bov Bjerg erweist sich in den satirischen Szenen seines Romans und in der Grundidee des Buches wieder einmal als toller Autor. Ich bewundere seinen Blick auf gesellschaftliche Missstände, die er dann in seiner dystopischen Welt ausstaffiert. Allerdings kann mich die nicht vorhandene Story und damit die Austauschbarkeit der Figuren an dieser Stelle nicht über den gesamten Roman fesseln. Das Buch hätte aus meiner Sicht eine noch bessere Wirkung erzielen können, wenn dem Setting noch eine spannende Handlung verpasst worden wäre.

Autor:Inneninformation

Bov Bjerg (1965) ist Pseudonym des deutschen Kabarettisten und Schriftstellers Rudolf Böttcher. Gewählt wurde das Pseudonym nach einer dänischen Ortschaft mit gleichnamigem Leuchtturm. Er studierte Linguistik, Politik und Literaturwissenschaft, war zudem Absolvent des Deutschen Literaturinstituts in Leipzig. Er gründete verschiedene Lesebühnen und ist aktiver Kabarettist. Bekannt wurde er als Schriftsteller mit seinem zweiten Roman Auerhaus (2015); mit dem Roman Serpentinen stand er 2020 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧

Titel: Der Vorweiner

ISBN: 978-3-5461-0038-0

https://www.ullstein.de/werke/der-vorweiner/hardcover/9783546100380

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