Ziegler, Jean: Die Schande Europas – Rezension

Jean Ziegler schildert Beobachtungen aus seinen Besuchen von Flüchtlingslagern in Griechenland und konfrontiert das Gesehene mit bestehenden Rechtsansprüchen. Die daraus entstehende Diskrepanz muss betroffen machen und sollte Politiker*Innen deutlich machen, dass aus ethischen Gründen dringend zu handeln ist.

Corona dominiert immer noch die Medien, auch die Black Lives Matter Bewegung kann dies nicht verhindern. Schlimm ist, dass es solche Themen sind, die unsere täglichen Nachrichten bestimmen. Ein Thema ist dabei etwas in den Hintergrund getreten und doch sind die Probleme und Herausforderungen nicht verschwunden. Das Thema „Flüchtlinge“ hat vor Corona einen großen medialen Rahmen eingenommen, ohne dass es jedoch zu zielführenden Lösungen gekommen ist. Mein Interesse an einem Buch zu diesem Thema ergab sich schon vor diesem Hintergrund und so griff ich zum neuen Titel des Kapitalismuskritikers Jean Ziegler.

Um was geht es?

Jean Ziegler hat als Gesandter des UN-Menschenrechtsrates das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos aufsuchen können. In seinem schmalen Buch schildert er seine Beobachtungen und möchte Verständnis für die dort geschilderten Leidenswege von Flüchtlingen schaffen. Diesen Schilderungen stellt er Rechtslagen gegenüber und verbindet dies als Fazit mit einem Appell zu handeln.

Meine Einschätzung zum Buch

Dieses Buch greift ein wichtiges Thema auf und ich kann vorwegnehmen, dass mich dieses Thema schon vorher bewegt hat und ich den Appell von Jean Ziegler unterstützen kann. Hierfür liefert er in seinem Buch nochmals Argumente. Mit kühlen Schilderungen werden Schicksale von auf Griechenland lebenden Flüchtlingen erzählt. Kompass bei der Bewertung des Gehörten sind für den Schweizer die geltenden Menschenrechte und so muss er nüchtern konstatieren, diese werden täglich verletzt und dies deckt sich mit gezeigten Bildern aus den Lagern. Jean Ziegler vertritt eine anklagende Position, möchte aber die Leserschaft nicht belehren. Durch die Konfrontation von Schicksalen mit geltendem Recht wird vor allem auch deutlich, dass ein Recht auf Papier bestehen mag, dies aber nicht zwingend auch die Realität absichert. Zudem ist der Schweizer Realist genug, dass es nicht darum gehen kann, alle Fluchtbewegungen in Europa aufzufangen und verurteilt das Schleppergeschäft. Ebenfalls sind Sicherheitsaspekte zu bedenken, wie die legale Einreise von Straftätern, doch für all dies sind nach Ziegler sicherlich Lösungen zu finden, wenn man dies denn möchte. Zunächst geht es aber darum, für die nun in Europa weilenden Menschen Lösungen umzusetzen.

Mich hat beeindruckt, wie Ziegler es vermeidet, in eine klassische Schwarz-Weiß Diskussion zu driften, in der es dann heißt, entweder man ist pro Flüchtlingsaufnahme oder contra, sondern wirklich für die bestehenden Probleme sensibilisieren will. Unsere westliche Außenpolitik hat die heutigen Fluchtbewegungen mit verursacht und nun kann man sich nicht in die Zuschauerrolle zurückziehen, sondern muss sich Verantwortungen stellen. Kriege in Syrien oder Afghanistan wurden immer auch von westlichen Kräften beeinflusst. Situationen wie in Afghanistan heute bleiben Fluchttreiber. Kinder verlieren bei diesen Fluchtversuchen ihre Familien, junge Männer versuchen Zwangskriegsdiensten zu entfliehen und lassen dabei ihre Familie zurück, auch weil sie immer in der Gefahr leben, erste Opfer zu werden. All dies macht das knappe Buch nochmals deutlich.

Die Europäische Union und ihre Zivilgesellschaften erheben sich gerne moralisch über die Herkunftsländer dieser Menschen, dabei missachten sie eigenes historisches Handeln und auch die in unserer Geschichte vorhandenen Flüchtlingsschicksale. Dies alles lässt das Buch in mir aufkommen und erinnert auch wieder daran, warum wir die Menschenrechte eigentlich haben. Begreift man dies, so kann man der Botschaft des Buches eigentlich nur folgen. Die Zustände in Flüchtlingslagern, die fernab der Menschenrechte liegen, müssen abgestellt werden. Ansonsten stellt die Europäische Union auch sich und ihre Werte infrage.

Jean Ziegler:

Die Schande Europas

C. Bertelsmann Verlag

ISBN: 978-3-570-10423-1

Preis: 15,00€https://www.randomhouse.de/Buch/Die-Schande-Europas/Jean-Ziegler/C-Bertelsmann/e575681.rhd

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