Allmendinger, Jutta / Wenzel, Jan: Die Vertrauensfrage – Rezension

Dieses schmale Buch schafft es auf beeindruckende Weise die Bedeutung von Vertrauen für Gemeinschaften und deren Funktionieren aufzuzeigen. Das Buch ist gut gegliedert und verständlich geschrieben, selten haben es Soziologen so gut geschafft ihre Forschungen für mich greifbar zu machen.

Der Corona-Blues hatte mich fest im Griff. Auf dieses Jahr 2020 hatte ich mich sehr gefreut. Endlich sollte mein Blog starten und ich wollte unbedingt wieder mehr Kultur in mein Leben aufnehmen. Viele kulturelle Veranstaltungen waren eingeplant und natürlich erfasst einen bei corona-bedingten Absagen die Wut. Deshalb bin ich aber noch nicht auf die Idee gekommen, mich wütend vor den Wiesbadener Landtag zu stellen. In einer solchen Zeit braucht es auch kritische Stimmen, aber erleben wir aktuell die richtige Dimension von Kritik. In keinen Berichten über den Widerstand wurde über Forderungen für die geplagte Gastronomie, Hotellerie oder das Reisegewerbe berichtet. Die Demonstrantinnen machen sich auch nicht Gedanken um die kindliche Erziehung und Bildung, nein die eigene Freiheit ist der Triebmotor. Also genau jene Freiheit die auch ich vermisse, wenn ich nicht auf Kulturveranstaltungen gehen kann. Aber deshalb sehe ich im Tragen einer Maske keinen Maulkorb, glaube nicht das Politiker uns versklaven wollen, sondern ich denke an den Schutz der Gesundheit. Vollkommen in den Hintergrund gerät der Schutz gefährdeter Personen und wird von einer Wut verdrängt, die nicht bereit ist Entbehrungen auf sich zu nehmen. Diese Erkenntnis enttäuscht, doch einem Buch ist gelungen mich wieder etwas positiver zu stimmen. Jutta Allmendinger und Han Wenzel haben „Die Vertrauensfrage“ geschrieben und sich als passendes Buch für diese Zeit erwiesen. Überhaupt nicht im Fokus war dieser Titel, erst ein Auftritt von Allmendinger bei Anne Will begeisterte mich so, dass ich unbedingt nach diesem Titel greifen wollte und ich habe es nicht bereut.

Um was geht es?

Die beiden Sozialforscher widmen sich in ihrem Buch der wichtigen Frage nach der Kraft, welche unsere Gesellschaft zusammenhält. In ihrem schmalen Werk gelingt es Ihnen der Leserschaft zunächst die Bedeutung von Vertrauen für das eigene Leben und die Gemeinschaft zu erläutern. Anhand von statistischen Auswertungen eines Fragenkatalogs zeigt das Autorenteam im Anschluss, dass viele von der Gesellschaft ein zu negatives Bild haben. Es gibt einen feststellbaren Unterschied bei der Bewertung bestimmter Aspekte für das eigene Leben und der Einschätzung darüber wie wichtig dies anderen ist. Diese Diskrepanz lässt Vertrauen bröckeln. Im abschließenden Kapitel werden dann Lehren aus der Analyse als politische Vorschläge angeboten.

Meine Einschätzung zum Buch

Mich hat dieses Buch deshalb so eingenommen, da ich mich immer wieder damit beschäftigt habe, wie stabil unsere demokratischen Verhältnisse sind. In vielen Ländern und auch bei uns habe ich den Eindruck gewonnen, dass unser System Vertrauensverlust zu beklagen hat. Jutta Allmendinger und Jan Wenzel machen in ihrem Buch Mut, denn sie zeichnen kein zu kritisches Bild.

Zunächst wird den Leser*Innen erläutert was es mit Vertrauen als elementarem Bestandteil für das Funktionieren von Gemeinschaft auf sich hat. Dabei wird auch gezeigt, dass Vertrauen in kleinen sozialen Gruppen funktioniert, aber es immer schwieriger wird, diese Gruppen miteinander zu verbinden. Entscheidend für Vertrauen ist auch ein Gefühl von Kontrolle, denn nur dann sind wir auch bereit uns auf einen Gegenüber einzulassen. Dies erklären die Beiden durch gut gewählte Beispiele, die einleuchten und einem auch selbst bekannt sind. Jedoch braucht es ein gelungenes Maß beim Kontrollverhältnis, denn auch das Risiko eines Vertrauensvorschusses ist genuin für unser Zusammenleben. Das Buch kombiniert persönliche Schilderungen mit statistischen Auswertungen. Das Werk basiert auf Daten der Vermächtnisstudie.

In dieser haben die Forscher Menschen Fragen gestellt, die ermitteln sollten, wie man selbst bestimmte Aspekte schätzt und wie man dies bei Anderen erwartet. Dabei geht es um den Wunsch nach Gemeinschaft, dem Willen zur Veränderung oder dem Verhältnis zum Leistungsgedanken, um nur einige Aspekte zu nennen. Abgeglichen wird dies dann mit der Erwartungshaltung an Andere und da tritt eine Diskrepanz auf. Diese muss zwangsläufig zu Vertrauensverlusten führen. Es hat mich überrascht, wie einfach dies dargestellt wurde und wie positiv die Befragten natürlich in gewisser Abhängigkeit zum sozialen Status eingestellt waren. Trotzdem glaubt niemand das diese Positivität in der Gemeinschaft ebenfalls vorhanden ist. Ein gemeinsames Gefühl für das gemeinsame Erreichen von Zielen ist jedoch der Schlüssel um auch politisches Vertrauen herzustellen. Nach dieser Lektüre sind keine Identitätsdebatten entscheidend, sondern die Vertrauensfrage.

Abschließend werden Lösungsvorschläge angeboten, die für ein neues Verständnis vom Verhältnis Bürger und Staat werben. Ersterem soll eine gewisse Grundsicherung zustehen und die Freiheit sich zu entwickeln, letztere kann dafür ein Vertrauen erwarten und das Befolgen bestimmter Regeln. Genannt seien hier bekannte Mittel wie Grundeinkommen oder Bürgerversicherung. Entscheidend ist aber ganz klar die Frage der Wichtigkeit des Bildungssektors und dies leuchtet absolut ein.

Egal wie man zu den Lösungsansätzen steht, der Clou des Buches liegt in dem Beweis der Wichtigkeit, der Vertrauensfrage für unsere Gemeinschaft. Das Buch ist schlüssig aufgebaut und eröffnet gekonnt Denkräume, die bei mir auch Zuversicht erzeugten. Es sind lesenswerte Seiten, die auch dabei helfen sich dieser Tage mit unserer Gemeinschaft auseinanderzusetzen.

Jutta Allmendinger und Jan Wenzel:

Die Vertrauensfrage

Duden Verlag

ISBN: 978-3-411-75642-1

Preis: 16,00€

https://shop.duden.de/Shop/Die-Vertrauensfrage

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