Kultur in der Coronakrise II

Über die Rolle der Kultur in unserer Gesellschaft

Was ist Kultur und welche Rolle spielt Sie in unserer Gesellschaft? Mit dieser Frage beschäftige ich mich eigentlich immer wieder. Klar ist, in meinem Leben spielen Kunst und Kultur eine große Rolle und natürlich ist dies nicht vergleichbar mit anderen Personen. In der Corona-Pandemie hat mir jedoch die Schließung der Kulturbetriebe und die einfache Untergliederung in den Freizeitbereich gezeigt, dass über die eingangs gestellten Fragen durchaus nachgedacht werden muss. Dies geht nicht nur mir so, wie der Essay von Daniel Kühnel „Titel“ beweist. Für ihn stellt sich die Frage, ob unsere Gesellschaft Kultur und Kunst nach den Pandemie-Erfahrungen tatsächlich als Überfluss und damit in Krisensituationen auch als verzichtbar begreift?

Für Kühnel liegt das Problem auch in einem Selbstverständnis des Kulturbetriebes, welches nicht genügend Kraft zu besitzen scheint, um sich im öffentlichen Diskurs zu bewähren. Doch der Reihe nach, zunächst ist festzustellen, dass Kühnel sich in seinem Essay auf den Kulturbetrieb konzentriert, der als Gegenstand die Kunst hat.

Für mich persönlich ist diese Gegenstandskonzentration zu klein. Ich sage es ganz bewusst, für mich gehören auch Volksfeste, denen man sicherlich nicht zuschreibt Kunst zu sein, zum Kulturbetrieb. Wie war in einer der Zuschriften zu meinen gestellten Fragen des letzten Textes zu lesen „Kultur heißt Leben“ und genau dies empfinde ich ähnlich. Kühnel braucht jedoch für seine Überlegungen den konzentrierten Gegenstand, denn er möchte die Kunst geschützt sehen, in dem man begreift, dass diese kein Konsumgut und Gebrauchsgegenstand ist. Für mich trifft dies aber auch auf jene Volksfeste, Jahrmärkte etc. zu, da ich deren Traditionen ebenfalls nicht als Gebrauchsgegenstand begreife. Schön zu lesen ist über die Jahrmarktkultur übrigens in Philipp Winklers schmalem Werk „Carnival“ (Rezension unter: Winkler, Philipp: Carnival – Rezension – erzaehlwas.de) und bei dieser Lektüre wird einem auch bewusst, dass auch diese Dinge Teil unserer Kultur sind.

Sehr gut dargestellt ist bei Kühnel jedoch der Aspekt, dass der Mensch an sich ein kulturelles Wesen ist, denn Kunst und Kultur entspringen dem Denken und eröffnen Wahrnehmungsbereiche. Somit dient Kultur grundsätzlich unserem Erfassen und vor allem Erschaffen von Welt. Ich habe ja angekündigt, mich nicht in philosophischen und ästhetischen Überlegungen zu verlieren und so möchte ich diesen Gedanken auch nicht weiter ausführen, sondern als gegeben setzen: Kultur ist Welterfassung und Weltschaffung zugleich.

Wenn wir also nun in ein Kunstmuseum oder ins Theater gehen, so versuchen wir das Dargestellte zu begreifen und dies verrät auch immer etwas über uns selbst. Das Lesen eines Romans löst immer auch Emotionen in mir aus. Es passiert also etwas mit mir und zumindest ich verspüre den Drang mich darüber mit anderen auszutauschen. Kultur ist deshalb für mich auch immer öffentlich und somit auch nichts was ich einsam mit mir ausmache. Ich behaupte sogar, selbst wenn man behauptet man nutze das Lesen als einsame Entspannung, so macht das Gelesene sich doch im Anschluss in den sozialen Kontakten oder im Verhalten bemerkbar und ist somit per se öffentlich.

Halten wir also fest: Kultur findet öffentlich statt, Kultur erschafft und erfasst Welt.

Wie sehr ich mich nach dem öffentlichen Erleben von Kultur gesehnt habe wird auch dadurch deutlich, dass ich meinen Blog etwas erweitert habe und nun auch die erste Theater Besprechung (unter Ein Theateralbtraum in der Provinz – erzaehlwas.de) zu finden ist. Ich sage nur: Leute geht raus und unterstützt unsere Kultureinrichtungen wie Theater, Museen, Kinos, Konzertsäle etc.

Kühnel hat seinen Essay auch als Intendant des Lausitz Festival geschrieben und dieses Festival hat ein tolles Konzept zum öffentlichen Kulturleben geboten. Grenzüberschreitungen als Grundprinzip, bekannte Künstler treffen auf regionale Künstler und die Botschaft lautet ganz einfach: Kommt vorbei, es gibt keine Schwellen, die überwunden werden müssen. Auch dies macht für mich Kultur aus: Sie steht jedem offen. Auch deshalb fasse ich meinen Kulturbegriff gerne etwas größer, halte nichts von Unterscheidungen zwischen Hochkultur und Unterhaltung, da auch letzteres für mich nie reinen Konsum abbilden kann. Das Festival hat hierfür die Wortneuschöpfung „Zwischensamkeit“ gefunden und ich kann meine Begeisterung für dieses Wort nur schwer im Zaum halten. Zum einen wird für mich damit betont, dass Kultur all seine Freiheiten hat und immer wieder neue Zwischenräume entdeckt und besetzt. Zum anderen wird auch deutlich, dass Kultur Begegnungen schafft. Wenn dann noch zu lesen ist, dass dieses Festival sich dem Strukturwandel der Lausitz widmet, dann hat mich dieses kulturpolitische Konzept schon eingefangen.

Halten wir fest: Kultur lebt die Freiheit, ist öffentlich, schafft Begegnungen, erfasst und erschafft Welt.

Natürlich sind dies alles große Zuschreibungen und nicht bei allen kulturellen Erfahrungen werde ich alles gleichmäßig erleben. Auch die Überlegungen von Daniel Kühnel sind hier nur sehr verkürzt dargestellt und dienten mir nur als Ausgangslage für das eigene Nachdenken. Jedoch sollte uns allen nur aufgrund dieser Überlegungen bewusst sein, dass Kultur unser Leben prägt, fester Bestandteil ist und nicht einfach ohne Diskussionen an den Rand geschoben werden kann. Über die Auswirkungen auf Bildung und Zusammenleben ist hierbei noch gar nicht gesprochen. Was Kultur alles verbinden kann und das sie nicht ausgrenzt, dies wurde mir auch nochmals bewusst als Danger Dan gemeinsam mit Igor Levit „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ im ZDF Magazin Royale bei Jan Böhmermann performt hat. Und genau dieses Lied höre ich mir nun an und lasse Euch mit meinen Überlegungen alleine, aber auch mit einer weiteren Frage.

Sofern wir nun für uns überlegt haben, was Kultur für uns bedeutet, so ist doch anschließend auch die Frage zu stellen, was erwarten wir dann kulturpolitisch?

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