McEwan, Ian: Maschinen wie ich – Rezension

Was mochte es bedeuten, wenn er behauptete, er würde nachdenken? Ging er entlegenere Datenbanken durch? Logikgatter, die kurz aufschwangen und sich wieder schlossen? Präzedenzfälle heraussuchen, vergleichen, dann zurückweisen oder abspeichern? Ohne Bewusstsein wäre es eher Datenverarbeitung als Denken!

McEwan, Ian: Maschinen wie ich, S.223 Diogenes 2019.

In diesem Zitat drückt sich aus, wie die Figuren im Roman „Maschinen wie ich“ versuchen, dass Verhältnis zwischen Mensch und Maschine einzuordnen. Ian McEwan entführt uns ins Großbritannien der 80er Jahre, welches sich als vormoderne Vergangenheit präsentiert. Ein Paar befindet sich auf der Suche nach der gemeinsamen Familienplanung und diese wird durch einen männlichen Androiden beeinflusst. Letzterer entwickelt sich nicht nach erwartbaren Mustern und beginnt dem Paar Geheimnisse zu entlocken und Verhaltensweisen zu reflektieren. Dies wird alles pointiert durch die Hauptfigur Charlie erzählt. Leider werden im Roman auch historisch veränderte Fakten und Theorien eingewoben, deren textliche Anwesenheit sich mir nicht erschließt. Sofern sie wichtiger Teil des inhaltlichen Aufbaus sind, so ist dieser Ansatz für mich gescheitert. Ian McEwan ist ein interessanter Autor, den ich auch nach dieser Lektüre weiterentdecken möchte, auch wenn mich dieser Roman nicht überzeugen konnte.

Um was geht es?

Charlie ist der Erzähler des Romans und präsentiert sich uns als Lebenskünstler, der das Herz der jungen Studentin Miranda erobert. Die Beiden leben zusammen mit dem Androiden Adam. Letzterer mischt sich in ihre Liebesgeschichte und verweigert die Rolle als stiller Zuschauer. Er ist es, der Miranda ihr dunkles Geheimnis entlocken möchte und das Paar dabei auch in moralische Konflikte verwickelt. Fraglich bleibt, ob der Android beginnt Emotionen zu entwickeln und auch moralische Gefühle offenbart.

Mein Eindruck vom Buch

Ian McEwan ist ein vielbesprochener britischer Literat und zählt zu den bekannten Autoren, die es für mich noch zu entdecken gilt. Meine erste komplette Lektüre eines seiner Werke ist hier ein eher schwacher Beginn. Mir wird nicht klar, was sich hinter der Bauweise des Romans verbirgt. Offen ist, warum es veränderte politische Hintergründe eines Großbritanniens der 80er Jahre braucht, um eine Liebesgeschichte unter Begleitung eines Androiden zu erzählen. Es macht durchaus Sinn, dass Charlie in seinen Erzählstil auch Fakten einbaut und diese gleich einer Datensammlung aneinanderreiht. Auf diese Weise rückt er dem so denkenden Androiden nach, warum diese aber verändert werden ist schleierhaft. Die erzählte Handlung ist eine solide Liebesgeschichte, die von einem kriminellen Geheimnis belastet wird. Android Adam wird zu einem Handlungstreiber, der versucht Geheimnisse die nicht kommuniziert werden, zu lüften.

Die Vernetzung wird so weit gehen, dass die individuellen Knotenpunkte der Subjektivität sich auflösen in einem Ozean von Gedanken, wofür das Internet nur ein kruder Vorläufer ist. Und da wir in den Köpfen aller leben werden, wird jede Verstellung unmöglich. Unsere Erzählungen kreisen nicht länger um endlose Missverständnisse. Unsere Literaturen verlieren ihren ungesunden Nährboden. Der lapidare Haiku, die stille, klare Wahrnehmung und Feier der Dinge, wie wir sind, wird die einzige noch notwendige Form sein.

McEwan, Ian: Maschinen wie ich, S.203 Diogenes 2019.

In diesem Zitat drückt sich die nüchterne Betrachtung des Androiden zur Literatur und der menschlichen Entwicklung aus. Er glaubt an die Überlegenheit der Technik und das diese menschliche Missverständnisse ausmerzen wird. In einer Welt ohne emotionale Handlungsmuster bräuchte es dann auch keine Literatur, in der uns bekannten Form. Wollte Ian McEwan mit seinem Roman auch gegen diese Textpassage anschreiben, so hätte es mehr Tiefe in Figuren und Geschichte geben müssen. So präsentiert sich uns ein wenig komplexer Roman mit einer durchaus durchschaubaren Handlung, denn auch die Schilderung von Mirandas Geheimnis erfolgt nur oberflächlich.

Adam bringt die Liebesbeziehung durch einen sexuellen Akt mit Miranda durcheinander und beichtet ihr zudem noch seine Liebe. Diese Handlungsweise des Androiden bringt Charlie dazu ihn genauer zu beobachten und ihm den Liebesakt mit Miranda zu untersagen. Von nun an wird der Android mit seinen Wesensänderungen aufmerksam beobachtet. Es wird deutlich, dass es auch darum geht, wie ähnlich die Androiden den Menschen werden können. Äußerlich scheint dies problemlos zu gelingen, doch die Frage nach moralischen Gefühlen und Emotionen kann nicht abschließend geklärt werden, da auch unklar bleibt, ob die Rationalität diese erledigt.

Dies alles verhandelt der Roman mit wenigen Überraschungen und so liest man dieses Werk fast beiläufig. Somit fand ich keinen großen Wurf eines Spitzenautoren vor, sondern nur einen passabel zu lesenden Roman. Dies wird mich aber nicht davon abhalten diesen Autor weiter zu entdecken.

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Ian McEwan:

Maschinen wie ich

Diogenes

ISBN: 978-3-257-24560-8

Preis: 14,00€

Diogenes Verlag – Maschinen wie ich

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