Hertweck, Patrick: Der letzte Rabe des Empire – Rezension

Auf der Suche nach neuen Jugendbüchern bin ich aufgrund des gelungenen Covers auf „Der letzte Rabe des Empire“ von Patrick Hertweck, erschienen bei Thienemann, gestoßen. Dieser Roman spielt in London 1888 und greift die Mordserie um „Jack the Ripper“ auf. Aus meiner Sicht ein gewagtes Thema für einen Jugendroman, der ab 12 Jahren freigegeben ist. Die Mordserie versetzt London in Angst und Schrecken und auch der junge Melvin verfolgt die Morde gebannt. Jedes der Opfer hat einen Bezug zu ihm und so möchte er den Mörder schnellstens aufspüren, um weiteres Unheil zu verhindern und seine Jugendliebe zu retten. Noch ahnt Melvin nicht, welch große Kräfte auf ihn wirken und was unheimliche Figuren damit zu tun haben, die ihm auf Schritt und Tritt zu folgen scheinen?

Hochkomplex mit Perspektivenwechseln

Dies ist mein erster Roman von Patrick Hertweck und so hatte ich keine vorherigen Erwartungen. Das Cover und der Klappentext wiesen auf ein hochspannendes Abenteuer hin und dies liefert der Roman auch. Allerdings hat mich der Roman nie ganz packen können. Dies liegt vor allem an seinem hochkomplexen Aufbau, den ich als zu komplex für ein Jugendbuch erachte. Unzählige Personen werden vorgestellt, erhalten kaum eine klare Rolle und bleiben über einen langen Zeitraum mysteriös. Wäre die Anzahl der Figuren schon herausfordernd genug, wird dies durch die Erzählstruktur mit vielen Perspektivwechseln noch anspruchsvoller. Viele kurze Abschnitte lassen die Story vergleichbar einem Film vor dem lesenden Auge ablaufen. Jedoch ist es für mich die ersten 150 Seiten einfach nur verwirrend. Die Grundidee des Romans mit dem Verweben von realen Fakten und Fiktion hat großes Potential und dies greift sich der Roman auch an einigen Stellen, kann dieses Niveau aber nicht über die gesamte Länge halten. Es ist ein Mysteryroman für Jugendliche, der mit einem tollen Setting beeindruckt, dass auch gut recherchiert wirkt. Melvin erhält Unterstützung von Figuren, die nicht mehr direkt unter den Lebenden weilen, sondern dämonische Züge in den Roman einbringen. Trotz ihrer äußerlichen Verunstaltungen werden sie total herzlich geschildert und somit zu tragischen Figuren, die ihr unbefriedigendes Dasein einem missglückten Experiment zu verdanken haben. Durch diese neuen Verbündeten hat Melvin dann endlich auch das nötige Kraftpotential, um sich den teils übernatürlichen Gegnern zu stellen. Warum diese auch noch mit einem kirchlichen Geheimbund in Verbindung stehen, bleibt mir rätselhaft.

„Wir müssen Jack finden und ihn zur Vernunft bringen.“

Hertweck, Patrick: Der letzte Rabe des Empire, S.182, Thienemann Verlag 2021.

Dieses Zitat deutet eine Verbindung von Melvin und vor allem seinen neuen Gefährten zum Täter an. Sie vermuten, dass ihr ehemaliger Freund, aufgrund des für sie alle nicht erfolgreich geendeten Experiments, zu Jack the Ripper mutierte und sie die Möglichkeit haben ihn wieder zur Vernunft zu bringen. Es sind mysteriöse Auftritte der jeweiligen Figuren, die uns als Leserschaft immer wieder ins Unklare hineinziehen. Die Spannung zieht der Text daraus, dass wir im Text verloren wirken. Man muss der Handlung hochkonzentriert folgen, sodass man die Andeutungen zu den jeweiligen Figuren einordnen kann. Für mich nicht sinnvoll sind zwei Nebenfiguren, deren Bedeutung erst zum Schluss aufgedeckt wird, deren Sinn für die Handlung aber nicht besonders groß ist. Hier hätte dem Text die ein oder andere Kürzung gut getan. Zum Schluss liest man den Text dann aber doch gebannt, da man nun wissen will, wie all die Geschehnisse zusammengehören.  Positiv hervorheben möchte ich die Gestaltung der Hauptfigur Melvin, der sympathisch wirkt und so schnell als Identifikationsfigur fungiert. Ebenso finde ich die Figur der Ellie gut, zumal Hertweck diese mit einer Besonderheit ausstattet. Ellie ist den größten Teil des Romans als Junge Wilkie verkleidet und Mitglied einer Bande. Auf diesem Wege spricht Hertweck auch noch das Thema der Geschlechterrollen an. Aufgelöst wird dies als sich Ellie ihrem besten Freund Melvin zu erkennen gibt.

Anspruchsvoller Jugendroman

Mir persönlich war dieser Roman zu komplex und es zu schwierig den Überblick zu behalten. Ich habe nichts gegen anspruchsvolle Jugendromane, begrüße es, wenn die eigene Leserschaft herausgefordert wird. In diesem Buch war mir jedoch zu viel angelegt. Die Grundidee des Romans, sowie die Charakterisierung der einzelnen Figuren ist gelungen und kann mich begeistern. Die Figurenverbindungen sind mir jedoch zu komplex, ständig muss man überlegen, welche Figur nun welche Rolle im Rahmen der Handlung übernimmt. Ich werde Patrick Hertweck aber wieder lesen, denn er zeigt sprachlich und in der Gestaltung der Figuren seine Qualitäten.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧

Patrick Hertweck:

Der letzte Rabe des Empire

ISBN: 978-3522202640

Preis: 17,00€

Der letzte Rabe des Empire von Patrick Hertweck | Thienemann-Esslinger Verlag

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