Rammstedt, Tilmann: Der Kaiser von China – Rezension

Eine imaginäre Familienreise mit Sogcharakter

Es gibt Bücher, die werden einen ein ganzes Leben lang begleiten, weil sie einen unglaublich begeistert haben, weil sie so zeitlos sind, dass man sie immer wieder lesen kann oder man besondere Lesemomente mit ihnen verknüpft. Eines dieser Bücher ist für mich Tilmann Rammstedt „Der Kaiser von China“.

Manchmal ist es die Erinnerung an dieses Buch, die mich wieder zum Lesen motiviert oder wie nun auch zum Schreiben einer Rezension.

Was macht dieses Buch für mich so besonders?

Tilmann Rammstedt bringt mich mit dieser irren Geschichte über einen jungen Mann, der seiner Familie von einer imaginären Reise mit dem Großvater durch China berichtet, an ganz vielen Stellen zum Schmunzeln und richtig zum Lachen. Das Buch hat beim Lesen sofort einen Sogcharakter entwickelt und mich damit auch in seinen Bann gezogen. Geschafft hat es dies, in dem es eine ganz andere Art Reiseroman ist. Schließlich wird hier nicht von einer realen Reise berichtet, sondern die Hauptfigur imaginiert eine Reise.

Um was geht es ?

Hintergrund der Reise ist, dass Keith das kürzeste Streichholz gezogen hat und somit von seinen Geschwistern dazu auserkoren wird, mit dem Großvater eine Reise zu unternehmen. Allerdings ist Keith daran wenig interessiert, schließlich ist er mit Franziska liiert, die vorher wohl auch mit dem Großvater zusammen war. Mit dieser hat er das gesamte Reisegeld im Casino verloren und schickt seinen Großvater deshalb alleine auf Reisen. Von Schamgefühl durchaus geplagt, möchte Keith gegenüber seinen Geschwistern den Schein wahren und beginnt fiktive Postkarten von einer gemeinsamen Reise mit dem Großvater nach China zu berichten.

Mein Eindruck vom Buch

Auch wenn die gesamte Konstellation etwas absurd anmutet, es ist genau das Momentum, aus dem der Roman seine heiter-melancholische Art schöpft. Als der Großvater kurz darauf stirbt, ist es für Keith fast nicht mehr möglich die Wahrheit zu erzählen. Während der Großvater in Deutschland reist, sitzt Keith unter seinem Schreibtisch und erfindet gemeinsame Reiseerlebnisse im fremden und weit entfernten China.

Mich reizt diese Konstruktion einer modernen Lügengeschichte, die Fiktion und Realität miteinander verschränkt und auch absurde Szenen spielend leicht integriert. China baut sich Keith nach Reiseführern und eigenen Vorstellungen zusammen und lässt seinen Großvater in den Postkarten als einen lebensfrohen und mutigen Mann erscheinen. Unterstützt wird das bei mir entstehende Bild des Großvaters durch eine meiner Lieblingsszenen. In dieser berichtet Keith von einer Erinnerung und einem Friedhofsbesuch mit dem Großvater, bei dem dieser die Gräber abgeht und es jedes Mal vonnöten sieht darauf aufmerksam zu machen, dass die Personen jünger gestorben sein. Es mutet makaber an, zeigt aber für mich vor allem, dass die von Keith geschilderte Person sein Leben schätzt und gleichzeitig sicherlich nicht zu den einfühlsamsten Menschen zählt. Ich musste an dieser Stelle auch aufgrund der Erzählweise herzhaft lachen und diese Stimmung transportiert der Roman über seine gesamte Länge.

In seinen Erzählungen über den Großvater drückt sich auch die Zuneigung aus, welche die Beiden durchaus auch zueinander verspüren und das Keith seinen Großvater schätzt. Selten habe ich eine raffiniertere Form der erinnernden Wertschätzung gelesen. Nicht nur deshalb greife ich immer wieder auf diesen Roman zurück, wenn ich mal wieder etwas Heiteres lesen möchte, was zudem nicht nur plumpe Witze macht, sondern einen intelligenten Witz in sich trägt.

Tilmann Rammstedt ist Bachmann-Preisträger 2008 und schon sein damaliger Auftritt begeisterte mich, später durfte ich den Autor auch noch im Rahmen meines Studiums persönlich kennenlernen und bin seitdem begeisterter Leser all seiner Bücher. Seine Bücher haben einen frischen, manchmal nachdenklichen, mich immer wieder begeisternden Tonfall.

Wer einen komischen Roman sucht, der mit seiner melancholischen Art für gute Laune sorgt, der kann an diesem Buch nicht vorbei. Deshalb meine klare Empfehlung, greift zu diesem Buch, es wird Euch hoffentlich genauso viel Freude bereiten wie mir.

Wertung: 🐧🐧🐧🐧 🐧

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Tilmann Rammstedt:

Der Kaiser von China

Dumont Buchverlag

ISBN: 978-3-8321-8074-4

Preis: 17,00€

Der Kaiser von China – (Tilman Rammstedt) – 978-3-8321-8074-4 | DuMont Buchverlag (dumont-buchverlag.de)

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