Louis, Edouard: Das Ende von Eddy + Im Herzen der Gewalt – Rezension

Edouard Louis greift in seinen Romanen „Das Ende von Eddy“ und „Im Herzen der Gewalt“ eigene Erlebnisse auf. Dabei gelingt ihm das Kunststück diese in wunderbare Poetik zu packen, sodass man den realen Hintergrund vergisst und sich auf die Schilderungen einlässt. Die Romane zeigen die Brutalität von Diskriminierung und was geschieht, wenn die gesellschaftliche Entwicklung nicht alle Schichten gleichmäßig beteiligt oder einbezieht. Auf diesem Wege erhalten die Figuren die angemessene Tiefe und man erhält als Leser einen nachdenklich machenden Einblick auf Teile unserer Welt.

Artikelserie „Erregungswelle“

Zorn, Wut, teils auch Beleidigungen sind heutzutage zu beobachtende Auswirkungen in gesellschaftlichen Debatten. Getrieben von Ungerechtigkeit oder Zurückweisungen eröffnet sich eine Empörungsspirale, welche die Debatte zu Problemen jedoch eher behindert, statt diese zu fördern. Zudem greifen rechts-gerichtete politische Parteien diese Grundstimmung gerne auf und beginnen Fakten gegen Meinungsmache auszuspielen. Die gefühlte gesellschaftliche „Erregungswelle“ spielt auch in Büchern eine wichtige Rolle. Der französische Autor Edouard Louis gilt als einer der Shootingstars der Gegenwartsliteratur. In seinen Romanen spürt er eigenen Erfahrungen nach und widmet sich den Themen Begehren, Homophobie,, Migration, Rassismus, sozialen Problemen und daraus resultierender Gewalt.

Seine Bücher zeigen den Einfluss von Herkunft auf die Ausgestaltung des eigenen Lebens. In seinem Debütroman „Das Ende von Eddy“ zeigt er uns eine Kindheit in der französischen Provinz und die Hintergründe eines gesellschaftlichen Abdriftens nach rechts. Schon dies macht den Autor für meine Artikelserie interessant.

Um was geht es?

Das Ende von Eddy:

Der Roman spielt in einem Dorf in der Picardie Ende der 90er Jahre. In diesem wächst der Junge Eddy auf, dem man eine „weibliche Art“ zuschreibt. Sein Aussehen und seine Handlungen passen nicht zu den vorherrschenden Männlichkeitsbildern. Der Roman schildert wie der Junge immer wieder Mobbing ausgesetzt wird. Selbst die eigenen Eltern verleugnen ihn und missachten seine Neigungen. Eddie widersetzt sich diesen Herausforderungen und bemüht sich um eine stabile Identität.

Im Herzen der Gewalt:

In diesem Roman lernt der Ich-Erzähler in einer Winternacht einen Mann kennen. Dieser erklärt algerischer Migrant zu sein und die Gespräche führen dazu, dass die Beiden in die Wohnung des Erzählers fahren. In dieser kommt es zunächst zu einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Doch dann eskaliert die Begegnung, denn es kommt zum Diebstahlversuch. Der Erzähler wird bei seinem Wehren gewürgt, erniedrigt und vergewaltigt. Diese schlimmen Erlebnisse werden jedoch nicht nur durch den Ich-Erzähler geschildert, sondern ergeben sich einer Ermittlung gleich aus verschiedenen Berichten.

Mein Eindruck der Bücher

Beide Romane beeindrucken mit sprachlicher Qualität und den autobiographischen Bezügen. Die Erzählungen spüren den Gründen für gewaltvoller Handlungen physischer und psychischer Natur nach. Edouard Louis gelingt es dabei aus den Lebenssituationen heraus zu schreiben, sodass die geschilderte Situation für sich ohne auktoriale Einordnung sprechen können. Der Vergleich des Debüts „Das Ende von Eddy“ mit Didier Eribons „Rückkehr nach Reims“ ist durchaus nachvollziehbar. Auch bei Louis erfährt man viel über soziale Ungleichheiten ohne das Statistiken präsentiert werden müssen. Schnörkellos werden die schlimmen Szenen geschildert und dies mit einer Distanz, welche die psychische Brutalität nur noch mehr unterstreicht. Die Peiniger des Kindes, beziehungsweise jungen Mannes, werden so beschrieben, dass man sich Gedanken über deren Gründe macht und auch ihre Ängste und Probleme aufnimmt. Die Eltern scheitern daran Liebe zu zeigen, da immer wieder auch Demütigungen auftreten. Trotzdem erhalten alle Figuren durch diese Art der Schilderungen eine angemessene Tiefe. Der Vater hofft sogar darauf, dass der Sohn sich aus den prekären Verhältnissen heraus verbessern wird. Im Roman „Das Ende von Eddy“ zeigt der Epilog, dass die Lösung im Abstoßen der Herkunft liegen kann. Die Dorfgesellschaft ist nicht in der Lage ihre Grenzen so auszweiten, dass auch für Eddy genügend Raum besteht.

Im Roman „Im Herzen der Gewalt“ erleben wir eine Hauptfigur, die sich nun im großstädtischen Paris befindet. Doch auch hier erlebt die erzählende Stimme Demütigung und Gewalt. Das Erlebte kann dieses Mal nicht nur von dieser Stimme erzählt werden, sondern es braucht Erläuterungen Dritter. Das Weltbild des Erzählers kann mit dem Ausbruch der Gewalt nur schwer umgehen, er ist mit seiner Sprache am Ende. Damit ist es ihm auch nicht möglich die Deutungshoheit zu erringen. In der Provinz deutete sich Rassismus an, nun wird das Fremde für den Erzähler in Form des gewalttätigen Migranten zur Bedrohung. An keiner Stelle lässt Louis Eindeutigkeiten zu, sondern versucht die Komplexität darzustellen. Auf diesem Wege wird eine poetische Kraft freigesetzt, die einen direkten Blick auf Problemlagen der Gesellschaft frei legt. Unabhängig der autobiographischen Bezüge, werden Bezüge zur Realität gesetzt und Literatur eine politische Relevanz zugewiesen.

Edouard Louis:

Das Ende von Eddy

S. Fischer Verlag

ISBN: 978-3-596-52212-5

Preis: 12,00€

https://www.fischerverlage.de/buch/edouard-louis-das-ende-von-eddy-9783596522125

Edouard Louis:

Im Herzen der Gewalt

S. Fischer Verlag

ISBN: 978-3-596-52269-9

Preis: 12,00€

https://www.fischerverlage.de/buch/edouard-louis-im-herzen-der-gewalt-9783596522699

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