Schachinger, Tonio: Nicht wie ihr

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Tonio Schachinger durfte ich mit seinem Roman „Nicht wie ihr“ im Rahmen der Shortlist-Lesung 2019 erleben und das Buch hat mich damals überzeugt. Doch immer wieder traten andere Bücher in den Vordergrund, sodass ich erst jetzt dazu gekommen bin, das Buch zu lesen. Passend zur anstehenden Fußball-EM, könnte man sagen, denn der Roman, erschienen bei Kremayr und Scheriau, erzählt aus dem Leben eines Profifußballers.

„Was liebt man denn, wenn man den Fußball liebt? Das Gefühl, wenn 50.000 Leute einem zujubeln, weil man ein Tor geschossen  hat oder die Verletzungen, die endlosen Trainingseinheiten? Dass man aufhört, der Chef seines eigenen Lebens und seines  Körpers zu sein, dass jeder Volltrottel eine Meinung zu einem hat?.“

Schachinger, Tonio: Nicht wie ihr, 2019, Kremayr Scheriau Verlag, S.104.

Ivica Trifunovic ist österreichischer Nationalspieler und in der englischen Premier League als Offensivspieler tätig. Der Roman schildert nicht seinen Alltag zwischen Training und Spielen, sondern konzentriert sich auf Begebenheiten des Privatlebens. Wir erleben einen Profi, der mit seiner Frau und zwei Kindern zusammenlebt, für den dieses Familienleben aber auch irgendwie Teil eines Images zu sein scheint. Sein Dasein als Millionär, inklusive der damit in Verbindung stehenden Statussymbole, wird von diesem Profi immer wieder in Gedanken einbezogen. Tonio Schachinger zeigt uns keinen philosophierenden Sportler, sondern gibt seiner erzählenden Figur den passenden Sprachstil. Das Leben mit seiner Frau empfindet er an vielen Stellen als einengend als zu wenig spontan. Umso mehr fühlt er sich zu einer Liebe aus der Vergangenheit hingezogen, die ihm das zu versprechen scheint, was ihm aktuell fehlt. Tonio Schachinger gelingt, das Kunststück, in dieser Sehnsucht ebenfalls zu offenbaren, dass der Profi damit wieder nur bestimmte Klischees bedient. Die Affäre gipfelt darin, dass Ivica diese beenden will und seine Jugendfreundin dies ohne Widerstand hinnimmt. Ivica ist mit einer solchen Reaktion überfordert, denn sein Leben im Spotlight hat ihn dazu gebracht, dass er davon ausgeht, dass man immer auf ihn reagiert. Sein Umfeld richtet sich an ihm, an seiner Berühmtheit, aus. Ich empfinde es als bemerkenswert, wie es diesem Roman gelingt, mich für das Leben dieses Profis zu interessieren und mir dabei aufzuzeigen, dass es sich hierbei nicht nur um einen arroganten Sportmillionär handelt. Das Buch erzeugt über das Lesen hinweg das Bild eines durchaus getriebenen Menschen, der bestimmte Erwartungen erfüllt und für die bestimmten Handlungen gar nicht mehr möglich sind.  

Schachinger verortet seinen Roman im aktuellen Fußballgeschehen und lässt reale Akteure auftreten, auch wenn diese keine tragende Rolle haben. Aktualität hat der Roman auch darin, dass es sich bei Ivica um einen Fußballer mit Migrationshintergrund handelt, dem auch angesichts dessen bestimmte Interviewanfragen gestellt werden. Erinnerungen an die schlechte Pressearbeit der Deutschen Nationalelf in Bezug auf Fußballer mit Migrationshintergrund werden dabei geweckt. Fokus des Romans ist allerdings das Ehe- und Familienleben des Profis. In seiner Ehe hat sich die geplante Perfektion zur Langeweile entwickelt; die Rolle als Vater kann er ebenfalls nur sporadisch füllen. Es gibt immer wieder Ausbrüche aus seiner Scheinwelt, in der man den Menschen hinter dem Schein zu fassen bekommt. Beispiel hierfür ist sein Besuch eines Kindergeburtstages mit der Tochter oder aufkommende Verlustängste seiner Familie. Auf dem Fußballplatz erleben wir Ivica nur an wenigen Stellen, doch auch hier zeigt sich, dass vieles vom Fernsehbildschirm einfacher betrachtet ist. Schachinger gelingt es, Situationen des Fußballers Ivica Trufunovic nachzuspüren und dabei auch zu zeigen, wie es zum Beispiel zu Reaktionen kommt, die einen Platzverweis nach sich ziehen. Ivica wird in diesen Szenerien menschlich nahbar und in seinen emotionalen Schwächen sichtbar. Schwächen, die es für einen Profifußballer nicht geben darf, denn mental wird ebenfalls immer das höchste Niveau erwartet. Ivica ist in diesem Roman eine durchaus tragische Figur. Er kann das Geschehen um sich durchaus einschätzen, weiß um seine Karrierechancen, ist allerdings nicht in der Lage, aus diesem System auszubrechen. Der Profifußball diktiert die Regularien und denen kann man erfolgreich folgen oder die Karriere eben nicht erleben.

Fazit

Dieses Buch ist ein toller Lesegenuss gewesen. Natürlich spricht es mich als Fußballinteressierter auf mehreren Ebenen an. Trotzdem ist dieser Roman auch ein literarisches Highlight. Tonio Schachinger macht die Lebenswirklichkeit eines Profifußballers greifbar, und zwar so, dass man an den Schilderungen nicht zweifelt, sondern den Eindruck hat, endlich einmal hinter eine Fassade blicken zu können. Der Sportler wird als Getriebener in einem System gezeigt, das keine mentalen Schwächen zulässt, zugleich aber niemanden von seinen Handlungen entschuldigt. Sprachlich fein und nah bei seinen Figuren zeigt dieser Roman das schriftstellerische Talent von Schachinger. Ich freue mich auf jeden weiteren Text von ihm.

Autor:Inneninformation

Tonio Schachinger (1992) wurde in Indien geboren, da sein Vater als österreichischer Diplomat tätig war. In seiner Kindheit lebte er deshalb in Nicaragua und Wien. Nach Trennung der Eltern blieb er in Österreich, studierte Romanistik und Germanistik und veröffentlichte 2019 mit „Nicht wie ihr“ seinen Debütroman. Er stand mit dem Roman sogleich auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Für seinen zweiten Roman „Echtzeitalter“ erhielt er 2023 den Deutschen Buchpreis.

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Wertung: 🐧🐧🐧🐧🐧

Titel: Nicht wie ihr

ISBN: 978-3-499-00450-6

https://www.rowohlt.de/buch/tonio-schachinger-nicht-wie-ihr-9783499004506

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